Nachhaltiges thermisches Untergrundmanagement urbaner Wärmeinseln in Deutschland
- Ansprechperson:
Menberg, K., Jun.-Prof. Dr. habil. Blum, P.
Kurzfassung
Das Klima in Großstädten unterscheidet sich deutlich von dem im ländlichen Umland. Das Zusammenspiel vieler Faktoren (z.B. Siedlungsdichte, fehlende Vegetation, Wärmeabstrahlung von Gebäuden, Versiegelung) führt zu einem urbanen Mikroklima mit erhöhten Temperaturen in der Atmosphäre. Aber auch im Untergrund entstehen weit ausgedehnte Temperaturanomalien, die sich dynamisch entwickeln und sich ausgehend vom Stadtzentrum lateral und in die Tiefe ausbreiten. So zeigten in Deutschland zum Beispiel Studien in Köln, München und Frankfurt/Main einen Temperaturanstieg des Grundwassers von bis über 6°C. Diese Wärmeinseln reichen mehrere Zehner Meter tief und betreffen erhebliche Volumen der städtischen Grundwasserleiter.
Sind nun diese Wärmeinseln im Untergrund ein Fluch oder ein Segen? Künstliche Temperaturveränderungen haben einen erheblichen Einfluss auf den chemischen Stoffhaushalt. Sie können beispielsweise die mikrobiologische Aktivität im Grundwasser verändern und können somit die gesamte Grundwasserökologie beeinflussen. Dies kann u. U. zu einer Qualitätsverschlechterung führen. Im Grundwasser, das in Städten oft als Trink- oder Brauchwasser genutzt wird, können sich z.B. Kolibakterien anreichern und so unmittelbar die Wasserqualität vermindern. Trotzdem finden sich bisher wenige Studien, die diese Effekte an konkreten Standorten erörtern bzw. die jeweiligen Einflussfaktoren und Effekte in Bezug stellen.
Ausgedehnte Temperaturanomalien haben aber auch eine bisher kaum erkannte sehr positive Seite: Sie repräsentieren ein enormes zusätzliches Energiereservoir. Es kann durch oberflächennahe Geothermie als Wärmeenergie zum Heizen von Gebäuden oder anderen Bauwerken genutzt werden. Die Nachfrage nach Geothermie ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Sie stellt bei der Gebäudeheizung mittlerweile eine der wichtigsten regenerativen Energietypen dar. Die erhöhte Temperatur der Wärmeinseln in Ballungsräumen verbessert auch die Effizienz der zum Heizen eingesetzten Wärmepumpen. Allerdings wird dieses Potential oft nur unzureichend erkannt, und häufig werden in den Innenstädten Bürogebäude mit Grundwasser gekühlt, während der Heizbedarf durch konventionelle Energieträger bestritten wird.
Ziel dieses Promotionsvorhabens ist es daher, die dominanten und v. a. anthropogen verursachten Einflussfaktoren dieser Wärmeinseln zu identifizieren. Dafür sollen bereits vorhandene Daten umfassend recherchiert und durch aktuelle Temperaturmessungen ergänzt werden. Die zeitliche und räumliche Temperaturentwicklung in drei ausgewählten deutschen Großstädten (Berlin, München, Karlsruhe) soll detailliert beleuchtet werden und mit Hilfe von Geoinformationssystemen dargestellt werden. Die für die Entwicklung der urbanen Wärmeinseln relevanten Wärmetransportprozesse sollen quantitativ beschrieben werden. Dazu sollen auch erste Energiebilanzen berechnet werden, um grobe Werte der lokalen Energietransferraten zu erhalten. Dadurch soll eine Zukunftsprognose der Untergrundtemperatur ermöglicht werden. In diesem Rahmen soll auch die Frage beantwortet werden unter welchen Umständen ein dynamisches Temperaturgleichgewicht erreicht werden kann. Hierfür sollen numerische, instationäre 3D Grundwasserwärmetransportmodelle erstellt werden. Mithilfe der gewonnenen Kenntnisse sollen Grundlagen für eine Strategie zu einem nachhaltigen, thermischen Untergrundmanagement in den Großstädten erarbeitet werden. Unter anderen wird dafür eine nachhaltige geothermische Nutzung des urbanen Untergrundes vorgeschlagen. Schließlich sollen die gewonnen Erkenntnisse auch auf weitere Großstädte übertragen werden.